Safari light
Jagen Weltweit Ausgabe 5, 2013, Norbert Klups
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Gute 4 Kilogramm sind für eine Safaribüchse schon recht wenig. In die Sparte „federleicht“ wagt sich nun Büchsenmacher Roland Kessler mit der neuen „Safari“ vor, die nur 3,45 Kilogramm auf die Waage bringt.
Als die JWW 3/2013 auf dem Markt war, erreichte mich ein Anruf von Roland Kessler aus Deggendorf: „Wenn Sie mal eine wirklich leichte .375 H & H schießen wollen, schicke ich Ihnen meine neue Kesslerin. Die wiegt keine 3,5 Kilogramm.“ Ein reizvolles Angebot, das ich gerne annahm. Die Kesslerin-Repetierbüchsen entstehen alle nach Kundenwünschen, und so ist jede Waffe ein Einzelstück. Der Büchsenmacher schickte mir die Büchse als Linksversion. Die Waage bestätigte beeindruckend geringe 3,45 Kilogramm. Für eine .375 H & H sehr, wenn nicht beängstigend leicht.
Reichlich Feuerkraft
Eine normale Kesslerin fasst 3 Patronen im Standardkaliber. Bei dicken Magnums gehen meist nur 2 rein. Für eine Büchse, die auf gefährliches Großwild geführt wird, eindeutig zu wenig. Doch Roland Kessler ist Praktiker und erfahrener Jäger. Seine „große Kesslerin“ schluckt 3 Patronen, und die vierte lässt sich direkt in den Lauf laden. Die höhere Magazinkapazität wird durch einen sogenannten „Rigby-Deckel“ erreicht, der innen ausgefräst ist und so die Magazinkapazität um eine Patrone erhöht.
Echtes Linkssystem
Ein altes 98er-Militärsystem auf links umzuarbeiten, ist kaum sinnvoll, und echte linke 98er- Militärwaffen gab es nie. Die Kesslerin kommt daher mit einem komplett neu gefertigten 98er- System in Linksbauweise. Roland Kessler hält sich dabei weitgehend an das Originalsystem. Lediglich der Hülsenkopf wurde wesentlich schlanker gestaltet und alles für Linkschützen ausgelegt. Hat der Hülsenkopf bei einem Originalsystem einen Durchmesser von 38,5 Millimetern, so misst die Kesslerin nur 33. Das macht sich nicht nur bei den Abmessungen, sondern auch beim Gewicht erheblich bemerkbar.
Besonders im Bereich des Ma-gazinkastens ist die Kesslerin extrem schlank. Die Hülsenbrücken wurden als Double-Square-Bridge aus dem vollen Material herausgearbeitet. Das ermöglicht eine sehr elegante Zielfernrohrmontage. Das 14 Millimeter-Prismenstück für die Hinterfußverriegelung wird direkt aus der hinteren Hülsenbrücke gefräst, und der Drehring für den Vorderfuß wird einfach von oben in die vordere Brücke eingelassen und ver- schraubt. So muss nichts aufgelötet werden, und alles wirkt wie aus einem Guss. Eleganter und haltbarer geht es nicht.
Der lange Mauserauszieher und der Hülsenauswerfer in der hinteren Hülsenbrücke entsprechen dem Original. Der Kammerhalter sitzt in der hinteren Brücke, wo aber alles spiegelverkehrt angeordnet ist. Kammerstengel, Auszieher, Schlosshalter und Auswerfer liegen jeweils auf der anderen Seite des Systems. Auch die horizontal arbeitende 3-Stellungssicherung am flachen Schlösschen ist auf der linken Seite angebracht. Das System läuft seidenweich und lässt sich fließend repetieren. Alles ist poliert und bestens aufeinander abgestimmt. Einer der herkömmlichen Abzüge für 98er-Systeme kann wegen der reduzierten Bauhöhe nicht verwendet werden. Der von Kessler speziell für dieses System konstruierte Direktabzug lässt sich von 600 bis 1.200 Gramm individuell einstellen und löst trocken und ohne spürbaren Weg aus. Einstellbar sind Vorzug, Abzugswiderstand und Triggerstopp. Bei der Testwaffe stand der Abzug auf praxisgerechten 750 Gramm.
55 cm-Lauf
Die Lauflänge von 55 Zentimeter ist für eine .375 H&H wohl die unterste Grenze. Gewicht sparen lässt sich aber am besten bei der Lauflänge. Um zu sehen, wie viel Leistung der 10 Zentimeter kürzere Lauf kostet, wurde die Mündungsgeschwindigkeit gemessen. Die RWS-Laborierung mit dem 19,5 Gramm-UNI-Classic wird mit 760 m/s angegeben. Aus dem 65 cm-Lauf einer Büchse wurden 748 m/s gemessen. Den Lauf der Kesslerin verlässt das Geschoss mit 702 m/s — ein spürbarer Leistungsverlust, der zu erwarten war. Gegenüber 5.450 Joule sinkt die Mündungsenergie auf 4.800 Joule, und die GEE verringert sich von 160 auf 152 Meter. Inwieweit das Einfluss auf die Praxis hat, hängt von der Jagd ab. Blickfang der Kesslerin ist der schlanke, schnittige Schaft mit geradem Rücken und deutscher Backe. Der Vorderschaft verjüngt sich stark nach vorn und wird mit Büffelhorn abgeschlossen. Ein flach gehaltener Pistolengriff betont die gestreckte Linie der eleganten Büchse. Abgeschlossen wird der Hinterschaft mit einer schmalen Gummikappe in „englisch rot“. Vorderschaft und Pistolengriff sind mit feiner Fischhaut verschnitten. Besonders sorgsam ausgeführt war die Holz-/Metallpassung der Waffe. Sie sorgt ebenso wie die Systembettung aus Kunstharz für einen exakten Systemsitz. Der Schaft besteht aus honiggelbem, reich gemastertem Nussbaumholz, ist aufwändig poliert und mit Öl auf Hochglanz gebracht. Als Besonderheit hat die Testwaffe eine Systemverlängerung, die über den Pistolengriff bis zur Schaftnase und an der Unterseite bis zum Pistolengriffkäppchen reicht. Das sorgt für besondere Stabilität und sieht exklusiv aus.
Offene Visierung
Als offene Visierung besitzt die Büchse ein Standvisier mit 3 Millimeter breiter Rechteckkimme, sowie ein dazu passendes 2 Millimeter durchmessendes Perlkorn. Die Kimme ist seitlich in den Schwalbenschwanz des aufgelöteten Laufsockels eingeschoben.
Die Testwaffe war mit einem Swarovski-Glas Z6i 1,7—10 x 42 mit Leuchtabsehen ausgestattet. Ein größeres Glas würde die schnittigen Konturen stören. Glas wirkt an der Waffe fast schon etwas zu modern. Die Oberteile der Zielfernrohrmontage stammen von Recknagel. Kessler verwendet die Eramatic-Drehringmontage. Beim Testschießen zeigten sich auch nach wiederholtem Abnehmen und Aufsetzen des Zielfernrohres keine Veränderungen in der Treffpunktlage.
Schussverhalten
Eine Jagdbüchse muss in erster Linie so gebaut werden, dass der Besitzer damit zuverlässig und sicher trifft. Zu leichte Waffen können bei hohen Rückstoßkräften daher problematisch sein. Dem Testschießen mit der leichten .375, die mit Zielfernrohr gerade mal 4 Kilogramm wiegt, wurde daher mit Spannung entgegengesehen.
Trotz der schlanken Schäftung liegt die Kesslerin sehr gut im Anschlag, und auch ausgewachsene Männer können mit dieser schlanken Büchse gut und sicher umgehen. Zunächst wurde stehend aus der Schulter geschossen. Der erste Schuss löste allerdings Erstaunen aus: Es kam weitaus weniger zurück als erwartet. Kaum ein Unterschied zur eigenen .375, die gut 1,5 Kilogramm mehr wiegt. Die Schaftgestaltung ist offenbar sehr gut gelungen und sorgt für ein angenehmes Schussverhalten. Ein volles Magazin ließ sich in weniger als 6 Sekunden leeren, und alle Schüsse waren auf 50 Meter im 9er-Bereich der Überläuferscheibe. Vom Anschusstisch schoss die Testwaffe aus jeweils kaltem Lauf ein Schussbild mit 5 Schuss, das 2,9 Zentimeter maß. Ein erstklassiges Ergebnis für die schnittige Büchse!
Resümee
Leichter lässt sich ein Großwildrepetierer kaum bauen! Für lange Märsche unter afrikanischer Sonne die ideale Waffe. Die zierliche Büchse sieht nicht nur elegant und schnittig aus, sondern ist auch sehr präzise und lässt sich ohne Probleme schießen. Die Standardversion der Kessler Großwild fängt bei 18.900 Euro an. Dafür gibt es erstklassige Qualität und ein Stück Individualität.