Die "Kesslerin"...
Die Pirschjagd nicht nur im Ausland stellt besondere Anforderungen an die Ausrüstung, insbesondere an die Jagdwaffe, denn eine Pirschbüchse soll leicht und führig, aber auch zuverlässig und vielseitig einsetzbar sein. Diesem “Pflichtenheft“ kann die Jagdwaffenindustrie nur sehr bedingt gerecht werden. Anders verhält es sich, wenn Büchsenmacher, die selbst begeisterte und erfahrene Auslandsjäger sind, sich mit dieser Problematik auseinander setzen.
Kessler jagt seit fast 12 Jahren in Rumänien auf Bären, Schwarz- und Rotwild. Eine Begegnung mit knappem Ausgang auf einen Bären war der letzte Anlass dafür, statt der Doppelbüchse auf das wehrhafte Wild des Balkans den Repetierer zu führen. Ein dritter oder gar vierter Schuss ist im Ernstfall eine nicht zu unterschätzende Beruhigung. Einerseits sollte die Büchse für die langen Fußmärsche so leicht wie möglich sein, aber auch für Hochwild ausreichend starke Kaliber verdauen, was fast zwangsläufig auf das Mauser-System hinaus lief. Mittlerweile kamen nahezu alle Kaliber zur Auslieferung, die Bodendurchmesser der guten alten 8 x 57 IS aufweisen.
Als grundsolide Basis der von Roland Kessler aus Deggendorf gebauten Repetierbüchse dient das an Zuverlässigkeit immer noch unübertroffene SyStern 98. Im speziellen Fall verwendet Kessler von DWM gefertigte Kästen des Modells 1908 rnit Klappdeckelmagazin. Zwar beschäftigen sich schon traditionell Büchsenmacher mit dem Mauser-System, Kessler geht aber dabei ganz neue Wege.
Abspecken ist angesagt, wenn Kessler die militärischen Systeme aufgearbeitet. Der Durchmesser des Hülsenkopfs wird ebenso verringert, wie die Höhe und das Gewicht des Magazinkastens reduziert, um die Voraussetzungen für einen schlankeren und damit leichteren Schaft zu schaffen. Dies hatte jedoch die Entwicklung eines völlig neuen Abzugs zur Folge, denn keiner der marktgängigen Abzüge ließ sich in dem jetzt engeren Raum zwischen Systemschwanz und Abzugsblech unterbringen.
Der durch Gebrauchsmuster geschützte Kessler-Kompaktabzug überzeugt durch seine simple Konstruktion, wie durch seine Zuverlässigkeit und hervorragende Charakteristik.Allein der Abzug ist es wert, sich mit dieser Büchse näher zu befassen, lässt er doch jeden Stecher vermissen und schafft so ausreichend Raum im Abzugsbügel um ihn auch mit Handschuhen kontrolliert auslösen zu können.
Der ursprünglich 36 mm messende Hülsenkopf wurde auf mm abgedreht und der Magazinkasten in der Höhe verringert und mit Durchbrüchen versehen. Beide Maßnahmen tragen bereits zu einer deutlichen “Erleichterung“ bei.Verwendet werden Läufe der Firma Lothar Walther, Königsbronn, in einer speziellen Kontur bei einer Lauflänge von 56 cm. Auf Wunsch sind auch andere Lauflängen und mit Sonderbehandlung möglich
.Der schlanke Schaft wird von einem renommierten Hersteller nach Vorgaben Kesslers gefertigt. Schon die Standardqualität mit sauber geschnittener Fischhaut und Edelholzabschlüssen an Vorderschaft und Pistolgriff ist sehr ansprechend. Die gestreckte Silhouette mit schlankem Pistolgriff und bayerischer Backe erinnert mehr an eine feine Kipplaufbüchse als an einen Repetierer. Tropfnase vorne und Seitenbäckchen runden den Schaft der Kesslerin harmonisch ab.
Die Schussleistung ist das Ergebnis aller Komponenten und des handwerklichen Könnens. Die Schaftbettung, der frei liegende Lauf, die Vorzüge des Abzugs und die einwandfreie Montage des Zielfernrohrs reduzieren den Streukreis unter Verwendung ausgesuchter Munition deutlich unter 20 mm. Der Autor hatte Gelegenheit mehrere Büchsen Probe zu schießen, wobei jede der Büchsen entweder bereits verkauft war, oder gerade fertig gestellt worden war.
Kesslers eigene Büchse im Kaliber 30-06 entsprach in der Aufmachung mehr dem Prototyp und diente als Funktionsmuster. Montiert war ein Swarowsky 3-9x mit Absehen 4. Der mit fünf hintereinander abgegeben Schüssen erzielte Streukreis wurde mit 22 mm ausgemessen. Verwendet wurde 9,7 g Federal Premium BailisticTip.Zwei Kundenwaffen im Kaliber 25-06 schossen ebenfalls außergewöhnlich präzise. Eine war mit einem Zielfernrohr Swarowsky 3-10x42 AV, die andere mit einem Zeiss 2,5-10x50 VM montiert.
Die von Kessler geschossenen Schussbilder wurden in eigenen Versuchen, allerdings mit jeweils nur drei Schuss bestätigt. Beide Waffen waren mit ebenfalls mit Federal Ballistic Tip eingeschossen. Die Streukreise betrugen 15, bzw. 18 mm.Eine weitere Waffe konnte im Beisein des östereichischen Kunden geschossen werden, der bereits selbst das Auslieferungsschussbild Kesslers mit 17 mm kopiert hatte. Das heute eher selten verlangten Kaliber 7 x 64 untermauerte mit einem Streukreis von insgesamt sieben Schuss RWS 8 g KS seine unterschätzten Qualitäten. Die als Munition für schweres Wild vorgesehene RWS 11,5 g TIG schoss der Kunde selbst auf ein “Kleeblatt“, das mit je einem weiteren Schuss vom Lieferanten und vom Autor ergänzt, auf ganze 18 mm kam. Sogar die jagdliche Verwendung mit einem Tiefschuss gegenüber der KS mit 6 cm war gegeben.
Weitere Ausstattung der “Kesslerin“ sind eine brauchbare Standvisierung mit Leuchtkorn, die auf 50 m Fleck eingeschossen ist. Der vordere Riemenbügel ist mit Laufring montiert, der Schaft schließt mit einer Gummischaftkappe,ab. Die Sicherung ist als rechts liegende45°-Flügelsicherung ausgelegt. Das Magazin fasst drei Patronen, wodurchmit einer weiteren im Lauf vier Schuss zur Verftigung stehen. Der Magazindeckel lässt sich zum leichten Entladen abklappen.
Gegen entsprechenden Aufpreis sind Wunschausführungen mit Kurzlauf oder als Stutzen, Seehuber-Handspannung, 3-Stellungs-Sicherung von Recknagel und wie bereits erwähnt, Läufe mit Sonderbehandlung, ausgesuchte Luxushölzer und auch Gravuren erhältlich! Als Kaliber sind von der kleinen und präzisen 22-250 Rem., den amerikanischen und deutschen 6 -, 6,5 - und 7 mm Patronen, auch viele 30er-Sorten und die 8 x 57 IS lieferbar. Für schwerere Kaliber ist das Waffengewicht allerdings zu gering. Damit steht flur nahezu jede Wildart von Murmel und Fuchs bis zu Keiler und Rothirsch die passende “Kesslerin“ zur Auswahl. Kessler bietet darüber hinaus auch eine von ihm entwickelte Flachmontage an, die exklusiv von der renommierten Firma Recknagel gefertigt wird und speziell auf die Büchse abgestimmt ist. Sie zeichnet sich durch eine schlanke Form, niedrige Bauhöhe und solide Bauart aus.
Mit der “Kesslerin“ erwirbt der Jäger eine nicht alltägliche Waffe, deren jagdpraktische Vorzüge mit ausgereifter Technik kombiniert sind. Der Preis ab 2480 Euro ist daher angemessen. Dass Kesslers Konzept aufgeht, hat sich durch die große Beachtung auf zahlreichen Messen bewiesen, seit die Büchse auf der IWA 2000 vorgestellt wurde. Die inzwischen gelieferten Stückzahlen sind ein weiterer Beweis dafür. Mit einem eleganten Stutzen und einer Kurzbüchse wurde die Modellreihe inzwischen erweitert.
Info:
Büchsenmacher-Meisterwerkstatt
WAFFEN KESSLER
Waffenherstellung und Reparatur Jagdartikel
Landau 69
4469 Deggendorf
Tel.: 0991 - 28 48 42
Fax: 0991 - 28 48 41
eMail:roland@waffen-kessler.de
TEXT UND BERICHT VON HEINRICH WEIDINGER