Super führig
Der Kessler Stutzen auf Basis eines Mauser-98er-Systems ist an Führigkeit wohl kaum mehr zu überbieten. Eine Jagdwaffe wie man sie sich nicht nur in schwierigem Gelände wünscht.
Der Kessler Stutzen aus der Werkstatt von Roland Kessler aus Deggendorf in Niederbayern ist ganz auf Führigkeit hin getrimmt. An Leichtigkeit und Führigkeit ist er wohl kaum mehr zu überbieten. Wenn man ihn in die Hand nimmt, kann man gar nicht glauben, dass das Herz der Waffe das schwere und starke Mauser-98er-System ist. Der zierliche Stutzen wiegt bei einer Länge von 103,5 cm nur 2,88 kg. Zusammen mit dem Zeiss Victory Zielfernrohr 2,5 - 10 x 50T* mit Leuchtabsehen wiegt die Büchse im Kaliber 8 x 57IS nur 3,53 kg. Man kann den Stutzen mit Zielfernrohr mit einer Hand am Pistolengriff fassen und mit ausgestrecktem Arm einige Zeit waagrecht halten. Das sollte man mit einer Waffe machen können, wenn man sie in schwierigem Gelände wie etwa im Gebirge führt.
Führigkeit wird aber auch von den Hochsitzjägern im Flachland geschätzt. In engen Kanzeln stößt man kaum noch an und bei Pirschgängen fällt die leichte Waffe nicht zur Last. Man kann das Leichtgewicht aber auch sehr schnell in Anschlag bringen. Schießen mit leichten Waffen will zwar gelernt sein, bereitet aber keine Probleme. Der Kessler Stutzen in 8 x 57IS lässt sich problemlos schießen, egal ob sitzend, stehend oder liegend. Man merkt zwar den Rückstoß und stellt einen Mündungshochschlag fest, doch kann der Rückstoß gut verkraftet werden. Auch stehend angestrichen und flüchtig schießend konnte ich mit der Waffe sehr gut zurechtkommen.
In der Jagdpraxis bewährte sich der Stutzen bestens. Stutzen sind Liebhaberwaffen, kurz und führig wegen des schwierigen Geländes (Gebirge), in dem sie bevorzugt geführt werden. Kurze Waffen sind beim Klettern genauso vorteilhaft wie beim Durchdringen von Dickungen.
Der Ganzschaft sollte den lauf vor Beschädigungen und Schlägen schützen. Sicher ließen sich Kratzer und Dellen im Schaft leichter ausbessern als im Metall. Der Hauptgrund für einen Ganzschaft dürfte aber im Aussehen liegen. Ein Stutzen sieht einfach "schön" aus. Das gilt besonders für den schlanken und zierlichen Kessler Stutzen. Die Bezeichnung "Kesslerin" hat er zu Recht verdient.
Abgespecktes Mauser-System
Das Herz der Waffe bildet ein Mauser-98er-System, das gehörig abgespeckt wurde. Die Dimensionen der Hülsen wurden verjüngt. So misst der Hülsenkopfdurchmesser nur noch 32,8 mm, anstatt der 35,8 mm des Originals. Es wurde dem System eine gefällige Form angefräst.
Das DWM-System aus Berliner Fertigung weist eine Daumenmulde als Ladehilfe auf Die Kammer mit langem, nichtrotieredem Auszieher beließ man hell. Das Original-Schlösschen wurde durch ein Schlösschen mit horizontaler Dreistellungssicherung von Recknagel ersetzt. Das formschöne Schlösschen fällt zierlich aus und wurde in den Dimensionen der abgespeckten Hülse angepasst. Der horizontal bewegliche Sicherungsflügel beinhaltet eine Sicherung, um in hinterster Stellung ein unbeabsichtigtes Entsichern zu vermeiden. Man drückt beim Entsichern einen gefederten Druckbolzen im Schwenkflügel nach unten, sodass dieser freigegeben wird. Das geschieht beim Entsichern fast automatisch und geht ohne Zeitverzögerung. Sogar mit Handschuhen ist die Bedienung der Sicherung kein Problem. In Mittelstellung des Sicherungsflügels (Entladestellung) ist der Druckbolzen nicht mehr zu bedienen. Eine echte Schlagstiftsicherung, die eine niedrige Zielfernrohrmontage erlaubt und schnell, geräuscharm und sicher bedient werden kann.
Der leicht gebogene Kammerstängel mit großer Kugel steht weit genug vom Schaft weg und ist sicher sowie fest greifbar. Der Schlossgang ist 98er-typisch. Das heißt, man muss kräftig zupacken. Widerstand beim Kammeröffnen und damit Schlossspannen ist gut merkbar. Die Kammer läuft in den Führungsbahnen der Hülse gut. Die Patronenzufuhr aus dem drei Patronen fassenden Magazin klappte zuverlässig. Eine Magazinklappe ist nicht vorhanden, so muss man die Patronen beim Entladen herausrepetieren.
Das Geheimnis der leichten, schlanken Bauweise liegt auch in der Neugestaltung des Magazinkastens und Abzugs. Der Magazinkasten wurde verkürzt und wie ein Schweizer Käse durchlöchert. Beim Abzug ließ man sich eine besondere Lösung einfallen. Es wurde ein sehr niedriger Abzug im Stahlgehäuse konstruiert, der an die Hülse geschraubt wird. Eine viel bessere Lösung als bei früheren Kessler-Büchsen, bei denen der Abzug von der Hülse getrennt war!
Man erreicht auch mit Stahlteilen ein leichtes Gewicht, denn Stahl ersetzte Kessler nicht durch Leichtmetall (etwa Bodenplatte mit Abzugsbügel). Die Bauhöhe im Hülsenbrückenbereich beträgt übrigens nur 5,6 cm und im Hülsenkopfbereich gar nur 4,9 cm. Der trocken stehende Flintenabzug löste bei 798 g (7,98 N) Widerstand sauber aus.
In den Hülsenkopf wurde ein 48 cm langer Achtkantlauf (Mündungsdurchmesser 15,8 mm) geschraubt. Auf Sätteln sitzt eine sehr brauchbare, offene Visierung, die sich für präzise, aber auch flüchtige Schüsse gut eignet. Die Kimme im Schwalbenschwanz hat eine Schmetterlingsform mit großem Rundausschnitt. Das hellrot leuchtende Kunststoffkorn in Balkenform sitzt stabil in seitlichen Stahlbacken.
Schlanker Ganzschaft
Der Ganzschaft unterstreicht natürlich die schlanke Linie der Waffe. Der Hinterschaft mit nicht zu steilem Pistolengriff hat einen leichten Schweinsrücken und eine Bayerischer Backe mit zwei Falzen. Der Schaft schließt nach schwarzer Zwischenlage mit Gummischaftkappe "Old English" ab. Der Vorderschaft erfährt nach klassischem Vorbild einen formschönen Übergang nach dem Schafthals. Er verjüngt sich nach vorne. Den Abschluss bildet eine Tropfnase aus Edelholz. In etwa Vorderschaftmitte brach der Schaffer ebenfalls eine Nase an. An Pistolengriff und Vorderschaft befindet sich eine sauber geschnittene, mittelfeine Fischhaut.
Am Vorderschaft wurde ein breiter Riemenbügel mittels Stift am Schaft befestigt. Dieser Haltestift verläuft durch eine Langlochöse am Lauf und verhindert so beim Tragen ein Abziehen des Vorderschaftes vom Lauf. Der 48-cm-Lauf kann sich aber trotzdem ungehindert ausdehnen. Er liegt übrigens bis auf eine sehr kurze Stelle frei im Schaft.
Das System wurde im Schaft kunststoffgebettet. Wirklich niedrig wurde mittels Recknagel-Schwenkmontage ein Zeiss Zielfernrohr Diavari V 2,5 - 10 x 50T* montiert. Sowohl Montage als auch Zielfernrohr konnten sich bewähren. Nach Ab- und Aufsetzen des Zielfernrohres bleibt die Treffpunktlage gleich.
Handhabung und Schussleistung
Es macht Spaß, das Leichtgewicht zu führen. In Kanzeln stößt man nicht an un auch angestrichen bei der Pirsch ließ sie sich bestens schießen. Der Rückstoß ist merkbar, ließ sich aber problemlos verkraften. Die Waffe konnte schnell und gut geschossen werden. Die Funktion war problemlos. Die Waffe wurde sehr gut verarbeitet. Die Metallteile wurden bestens poliert und tiefschwarz brüniert. Die Metal-/ Holzpassung führte man penibel aus. Auch das gute Nussbaumholz wurde glatt geschliffen und matt geölt. Ein Stutzen, der in klassisch deutscher Büchsenmacher-Tradition gefertigt wurde. Die Handarbeit liegt über heutigem Standard und wurde hervorragend ausgeführt.
Die Schussleistung wurde mit mehreren Laborierungen im Kaliber 8 x 57IS durchgeführt (siehe Kasten). Mit RWS-Patronen mit 12,1 g H-Mantel erbrachte der Kessler Stutzen die beste Schussleistung. Mit der Laborierung wurde ferner eine konstante Leistung erziel. Streukreise 28 von 29 mm bei 5 Schuss auf 100 Meter aus warmem Lauf beweisen eine hervorragende Schussleistung. Dagegen schoss er mit RWS Patronen mit 11,7 g DK-Geschoss schlechter (45 mm Streukreis). Mit GECO Patronen mit 12,0 g TM-Geschoss schoss der Stutzen mit 32 mm Streukreis wieder hervorragend.
Eine ähnliche Waffe auf Basis Mauser-98er kenne ich nicht. Leichtrepertier mit Nussbaum- und Kunststoffschäften gibt es beispielsweise von Remington, Sako Ultra Light Arms oder Winchester. Die Blaser R93 Offroad ist ebenfalls sehr leicht und kurz.
Technik auf einen Blick
Waffe: Kessler Stutzen ("Kesslerin")
Waffenart: Repetier mit Drehzylinderverschluss
Bezug: Waffen Kessler, Land-Au 6, 94469 Deggendorf, 0049/991/284842
Kaliber: 8 x 57IS
Weitere Kaliber: .22-250 Ram., .243 Win., 6x 62 Frerés, 6 mm Rem., 6,5 x 54 Mannl.Sch., 6,5 x 55, 6,5 x 57, .25-06 Rem., .270 Win., 7mm-08 Rem., 7x 57, 7 x 64 .300 Savage, .308 Win., .30-06 Springfield, 8 x 64S
System: Mauser 98, modifiziert insbesondere verjüngt
Abzug: Flintenabzug justierbar (600 - 1200 g)
Sicherung: Dreistellungsicherung Art Winchester 70
Magazin: Kastenmagazin für 3 Patronen
Schaft: Nussbaum-Ölschaft, Pistolengriff, Schweinsrücken, Bayerische Backe, Edelholzabschlüsse, Ganzsschaft, Gummi-Schaftkappe
Lauf: Achtkantlauf Lauflänge 48 cm
Visierung: Schmetterlingskimme mit Rundausschnitt, rotes Balkenkorn
ZF-/-montage: Zeiss Diavari V 2,5 - 10 x 50T*, Schwenkmontage
Gesamtlänge: 103,5 cm Gewicht 2,88 kg Gesamtgewicht 3,53 kg
Beste Schussleistung: (5 Schuss/100 m):28 mm
Preis: € 4025,- (ohne ZF und Montage)
Vorteile
hervorragende Schussleistunghervorragende Verarbeitungsehr leicht und führigStahlbauweisesehr guter Abzugsehr guter Schaftsehr gute offene Visierungsehr gute Schlagstift-Dreistellungssicherung
Nachteile
keine
Roland Zeitler