schlanke eleganz
Kessler-Mannlicher
Der Mannlicher-Schönauer-Stutzen in seiner ursprünglichen Form ist für viele Waffenliebhaber die eleganteste Repetierbüchse. Die kurze und sehr schlanke Waffe mit dem legendären Trommelmagazin und dem weichen Schlossgang ist zwar technisch nicht mehr auf der Höhe der Zeit, doch sie ist eben ein echter Klassiker. Der deutsche Büchsenmacher Roland Kessler hat jetzt noch eins drauf gesetzt und einen Mannlicher-Stutzen gebaut, der gegenüber dem Original noch schlanker und eleganter ausfällt. Dem St. Hubertus stand die Waffe exklusiv zur Verfügung.
Nimmt man die Waffe in die Hand, ist sofort das "vertraute Gefühl" da, das jeder kennt, der einen dieser Stutzen besitzt. Doch irgendwas ist anders, denn die Büchse ist im Bereich des Magazins deutlich schlanker. Hier hat Roland Kessler das gemacht, wodurch seine "Kesslerin" berühmt geworden ist. Beim Mannlicher ist das jedoch noch wesentlich aufwendiger, denn ein 98er Magazin zu kürzen, ist nicht wirklich schwer. Einen Abzug zu konstruieren, der dann in den verbleibenden Raum passt, schon deutlich aufwendiger. Der Mannlicher hat aber ein Trommel-Magazin, das kann man nicht einfach unten absägen. Roland Kessler hat das Problem gelöst, sein Kessler-Mannlicher-Stutzen hat ein Trommelmagazin für drei Patronen, das genauso funktioniert wie gewohnt. Wird die Taste im Auswurffenster gedrückt, spuckt das Magazin die Patronen aus – nur hier gehen anstatt fünf nur drei Schuss hinein. Dafür ist die Büchse im Bereich des Magazins nur noch 48 mm hoch. Eine kräftige Männerhand kann sie hier einfach umschließen.
Originalsystem als Basis
Kessler benutzt originale Mannlicher-Systeme für seine Stutzen – alles andere ist neu. Die vorliegende Büchse ist für das Kaliber .243 Winchester eingerichtet und hat einen 50-cm Lauf aus Lothar Walther Fertigung. Damit kommt die Büchse auf eine Gesamtlänge von 104 cm und wiegt 2,9 kg. Das System ist sorgfältig poliert und hochglänzend brüniert. Hier wurde nichts verändert, auch die originale Flügelsicherung und der charakteristische, flache Kammerstengel sind erhalten. Anscheinend hat Roland Kessler auch innen gut poliert, denn die Testwaffe hatte einen fantastischen Schlossgang. Nicht verwendet werden kann der originale Abzug, durch das gekürzte Magazin passt er nicht mehr. Hier baut Kessler einen modifizierten Abzug aus seiner "Kesslerin" ein, der speziell für schlanke Waffen entwickelt wurde. Der trocken stehende Flintenabzug löste bei 650 Gramm aus und ist dem originalen Mannlicher-Abzug deutlich überlegen. Einziger Schmuck der Büchsen ist ein um die Laufwurzel laufendes Goldband. Die Visierung besteht aus einer 3 mm-breiten U-Kimme, die mittels Schwalbenschwanz seitlich in einen auf den Lauf gelöteten Visiersockel eingeschoben ist und ein dazu passendes 2 mm dickes Perlkorn. Der Korn sitzt auf einem Kornträger, der ebenfalls aufgelötet ist. Der Kornräger ist auf der dem Schützen zugewandten Seite mattiert.
Der Schafft setzt Akzente
Wer jetzt einen klassischen Mannlicher-Stutzenschaft erwartet hat, wird enttäuscht. Bei der ersten Waffe des Typs hat Roland Kessler die Schaftform gewählt, die vom Mannlicher-Stil abweicht und die Individualität dieser Büchse dadurch unterstreicht. Der Hinterschaft hat einen leichten Schweinsrücken und eine bayerische Backe mit Doppelfalz. Häufig zu finden bei Repetierbüchsen aus Ferlacher Fertigung. Der Pistolengriff mit Edelholzabschluss fällt steil aus und hat eine Hand füllende Verdickung an der rechten Seite. Der schlanke Vorderschaft wird ebenfalls mit einer Nase aus Edelholz abgeschlossen und hat auf halber Länge eine "Krawatte", wie sie bei frühen Mauser-Stutzen üblich war. Abgeschlossen wird der Hinterschaft mit einer schmalen WEGU-Gummikappe. Vorderschaft und Pistolengriff sind in feiner Fischhaut verschnitten. Das lässt Kessler außer Haus machen, während die Handschäftung in eigener Werkstatt erfolgt. Die Fischhaut an der Testwaffe ist fehlerfrei und hält auch eine Betrachtung unter der Lupe stand. Der vordere Riemenbügel ist in klassischer Stutzen-Manier in U-Form am Vorderschaft befestigt. Eine Querstollenverschraubung, bei der Testwaffe dezent graviert, sorgt für die gleichmäßige Übertragung der Rückstoßkräfte auf den Schaft. Das Holz hat eine sehr gute und edle Maserung, ist aufwendig poliert und mit Trueoil auf Hochglanz gebracht. Roland Kessler hat ständig ein dutzend erstklassiger Schafthölzer in seiner Werkstatt, und der Kunde kann sich sein Holz aussuchen.
Jede Büchse von Roland Kessler entsteht auf Kundenwunsch, und wer keine bayerische Backe an "seinem" Mannlicher haben will, bekommt natürlich auch einen typischen Schönauer-Schaft.
Die Testwaffe war noch nicht mit einer Zieloptik versehen und wurde daher nicht geschossen. Die Präzision eines Mannlichers ist aber schon sprichwörtlich, und die Büchsen von Roland Kessler gelten als kleine Präzisionswunder. Eine Verbindung, die für eine erstklassige Schussleistung geradezu bürgt. Bei der Montage einer Zieloptik wird sich der Käufer an die alte Mannlicher-Technik halten müssen, denn die hintere Hülsenbrücke ist ja oben geschlitzt. Eine klassische Dreifußmontage sollte aber auch heute kein Problem sein.
Resümee
Dieser Stutzen ist die eleganteste Repetierbüchse, die ich bisher gesehen habe. Noch zierlicher als das Original, erstklassig verarbeitet und mit einem tollen Abzug. Die technischen Details des alten Mannlichers, auf die Kenner so großen Wert legen, sind erhalten geblieben. Eine extrem führige Pirschbüchse in dezenter, aber edler Aufmachung. Wer wirklich sehen will, wie schnittig diese Waffe ist, sollte sie einmal neben das neuste Produkt aus dem Hause Mannlicher, dem Mannlicher-Luxus, legen. Aber über Geschmack lässt sich ja bekanntlich nicht streiten. Jede Büchse von Roland Kessler ist ein Einzelstück und was sie kostet hängt von Ausstattung, Schaftholz und vielen Details ab. Für die hier vorgestellte Büchse wären 6.500 € fällig.
Auf einen Blick
Hersteller: Roland Kessler
Modell: Kessler-Mannlicher
Kaliber Testwaffe: .243
Weitere Kaliber: alle Standard-Kaliber erhältlich
Verschluss: Original Mannlicher Schönauer
Lauf: von Lothar Walther
Lauflänge: 50 cm
Offene Visierung: Standvisier mit U-Kimme, Perlkorn mit Messingauflage, Visiersockel aufgelötet
Sicherung: originale Flügelsicherung
Magazin: Trommelmagazin für 3 Patronen
Abzug: Direktabzug
Abzugswiderstand: 650 g
Schaft: aus gutem Nussbaumholz. Bayerische Backe mit Doppelfalz. Fischhaut am Pistolegriff und Vorderschaft, Gummischaftkappe
Gesamtlänge: 104 cm
Gewicht: 2,9 kg
Preis: 6.500 €
Text und Fotos: Norbert Klups
St. Hubertus Spezial 10 (2008)